Kolumne: Andersnormal Denken
von Andrea Buchelt
von Kirsten Kampmann-Aydogan
Teil 1 - Was ist ein Bilderdenker?
Da mir in meiner Praxis immer mehr Bilderdenker begegnen und doch viele Menschen mit dem Begriff nichts anfangen können, möchte ich hier etwas ausführlicher darauf eingehen.
Jeder Mensch bringt von Geburt an eine dominantere Gehirnhälfte mit. Dabei ist die linke Gehirnhälfte bei Rechtshändern und die rechte Gehirnhälfte bei Linkshändern ausgeprägter.
Die linke Gehirnhälfte ist verantwortlich für die Sprache, das Lesen, sowie das logische, mathematische, analytische Denken. Die Menschen, bei denen die linke Gehirnhälfte dominiert, denken in Sprache und Begriffen.
Die rechte Gehirnhälfte ist verantwortlich für die Körper- und Bildersprache. Die Menschen, deren rechte Gehirnhälfte dominiert, sind sehr emphatisch und kreativ. Sie haben ausgeprägte Gefühle und Intuitionen, denken in Bildern, Symbolen, Melodien, Gerüchen und/oder Farbe (in Farben denken, siehe auch Synästhetiker).
Somit benutzen Bilderdenker bevorzugt die rechte Gehirnhälfte. Sie sind zwar schneller und kreativer im Verarbeiten von Informationen, aber wenn nicht gleich ein Bild zu einem bestimmten Thema aus dem Gehirn abrufbar ist, geraten sie leicht in eine Stresssituation.
Leider bekommen viele Bilderdenker in der Schule die Rückmeldung, sie seien falsch. Dabei liegt es nicht an ihnen sondern nur daran, wie der Lernstoff aufbereitet ist. Lange Texte und Vokabeln ohne Bilder sind ihnen ein wahrer Graus. Bitte glaube mir, denn ich weiß wovon ich spreche.
Meine Geschichte
Ich bin umgeschulter Linkshänder. Mit dem Abgang der 4. Klasse auf die weiterführende Schule (1970) erhielt ich die Empfehlung zur Hauptschule. Mein Zeugnis hatte einen Durchschnitt von 2,5. Jedoch hatte ich zwei Fünfen. Eine im Schreiben und eine im Lesen. Ich erinnere mich sehr gut. Meine Mutter hat bis zum „Erbrechen“ mit mir Diktate geübt. Je mehr wir übten, umso schlechter wurden diese. Lautes Vorlesen war für mich eine wahre Qual. Mit diesen so schlechten Voraussetzungen des „Nicht“ -Beherrschens der eigenen Muttersprache, wurde mir suggeriert, dass ich eine schlechte Schülerin sei und (Originaltext) es so oder so nie zu etwas bringen würde.
Meinen Hauptschulabschluss machte ich jedoch mit Qualifikation. Dann hatte ich auf der Berufsfachschule für Textiltechnologie super Noten. Meine Schneiderlehre in der Industrie, schloss ich mit Auszeichnung ab. Das darauf folgende Fachabi, welches ich an der Fachoberschule für Kunst und Design absolvierte, bestand ich mit sehr guten Noten. Nach den Prüfungen zum Fachabi bat mich meine Deutschlehrerin zum Gespräch und teilte mir mit, dass sie mir in Deutsch leider nur eine 3 geben könne, da sie meine Rechtschreibung mitwerten müsse. Ob ich denn wüsste, dass ich Legasthenikerin sei? Mit nun 21 Jahren hörte ich zum ersten Mal dieses Wort und mir kamen die Tränen. All die Jahre dachte ich, dass ich falsch, ja schlecht sei und nun erfuhr ich, dass ich eine Lese-/Rechtschreibschwäche habe. Das war so eine Erleichterung. Mein Diplom zum Ingenieur für Textil- und Bekleidungstechnik *Schwerpunkt Design*, schloss ich mit 1,0 ab und ging mit der Urkunde zu meiner alten Klassenlehrerin. Ihr Gesichtsausdruck war mir eine wahre Genugtuung, als ich ihr mein Diplom unter die Nase hielt.
Leider erfuhr ich erst mit der Ausbildung zum Psychosozialen Coach und der damit verbundenen, intensiven Beschäftigung mit Hochbegabung, dass ich eine Bilderdenkerin bin.
Wie tickt ein Bilderdenker?
Noch einmal zur Verdeutlichung. Ein Bilderdenker hat immer gleich ein Bild im Kopf. Zum Beispiel bei dem Wort BAUM sind es nicht die Buchstaben, sondern es ist gleich die Verknüpfung mit dem Bild eines Baumes da. Aber wie ist es mit nicht bildlichen Worten, wie links und rechts. Hier habe ich mir im Laufe des Lebens ein Bild aufgebaut. Nämlich meinen linken und meinen rechten Arm.
Ein gutes Beispiel sind für mich immer die Autobahn- oder Straßenschilder. Schilder deren Bild ich mir eingeprägt habe, muss ich nicht lesen. Ich habe sie gleich im Blick. Bei Fernreisen und insbesondere, wenn ich Straßennamen suchen muss, fühle ich mich hoffnungslos verloren. Hier lobe ich mir immer wieder mein heiß geliebtes Navi J
Ganz schwierig wird es bei Wörtern wie zum Beispiel GEGEN. Hier sehe ich eine Wand, GEGEN die etwas steht. Also es ist sozusagen ein Komplettbild in meinem Kopf.
Wenn mir jemand eine Geschichte erzählt, oder wenn ich ein Buch lese, dann läuft ein kompletter Film in meinem Hirn ab. Ich habe mein ganz eigenes Kopfkino mit dolby surround usw. Also ich sehe nicht nur die Bilder, sondern ich höre, ich rieche und ich spüre den Bericht. Ja, ich bin ein Teil des Ganzen und mitten im Geschehen.
Und beim Kopfrechnen habe ich mir ebenfalls Bilder aufgebaut. Jedoch erwische ich mich noch heute teilweise, dass ich mir die Finger zur Verbildlichung vor die Nase halte, um mir die Zahlen besser vorstellen zu können.
Nun habe ich wirklich aus dem Nähkästchen geplaudert. Und … kannst Du Dir vorstellen, dass ich trotz alldem eine überdurchschnittliche Intelligenz habe? Um das für mich annehmen zu können, hat es wirklich sehr lange gebraucht.
Ein kleines Experiment
Um Dir das Bilderdenken noch besser zu verdeutlichen, möchte ich Dich ermuntern, das folgende Experiment mitzumachen.
Stelle Dir bitte einen Elefant von vorne vor. Wenn Du dieses Bild mit Hilfe Deiner Vorstellungskraft hast, gehe in Gedanken um den Elefanten herum. Schaue ihn Dir ganz in Ruhe von allen Seiten an. Hast Du es? Super!
Bilderdenker müssen nicht erst in ihrer Fantasie um den Elefanten herum laufen, denn das Bilderdenken ist dreidimensional. Bilderdenker können sich alle Objekte, die sie aus einer Perspektive gesehen haben vorstellen und müssen nicht erst körperlich drum herum laufen.
Erkennst Du nun die großartigen Möglichkeiten des Bilderdenkens?
Hast Du Dich vielleicht wiedererkannt? Oder vielleicht eines Deiner Kinder?
Wenn Du selber kein Bilderdenker bist, aber Dein Kind in der Schule mit dem Schreiben und Lesen Probleme hat, dann überprüfe doch mal, ob es ihm mit Zuhilfenahme von Bildern leichter fällt etwas zu lernen. Bilderdenker arbeiten z.B. sehr gut und gerne mit Mind Maps, Grafiken oder Collagen. Im Rechnen helfen der Zahlenstrahl, Würfel, Stäbe, Perlen oder auch - ganz einfach - die Finger ;o)
Ich wünsche mir, dass ich mit diesem ersten Kolumne-Teil ein wenig zur Aufklärung des Bilderdenkens beitrage und hoffe, dass sich in den Schulen schnellstmöglich etwas an der Lernvermittlung ändert. Auch Menschen, die nicht in Bildern denken, lernen besser, schneller und mit viel mehr Freude, wenn all ihre Sinne angeregt werden. Also der Inhalt nicht nur über Texte vermittelt wird, sondern es dazu Bilder, Geschichten, Metaphern und evt. sogar Ton gibt.
Kirsten Kampmann-Aydogan ist Psychosozialer Coach mit den Schwerpunkten Hochbegabung und Hochsensibilität. Seit 2011 begleitet sie Menschen auf ihrem Weg der Persönlichkeitsentwicklung.
Ihre Philosophie
„Inneres Gleichgewicht und Selbstwertgefühl sind die Grundvoraussetzungen zur Entfaltung von Talenten und Begabungen. Mit viel Herz, Empathie und Know How ist es mein Ziel, Menschen zu unterstützen, Ihr volles Potenzial zu (er)leben!“
Kontakt und weitere Informationen finden Sie unter:
Kirsten Kampmann-Aydogan
Life-Coach Bremen
Tel. 0421 – 25 76547
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