Kolumne: Auf ein Wort ... Annette Bauer schreibt!

von Andrea Buchelt

von Annette Bauer

Bewegt – Umarmt – EMBRACE

Ich war im Kino. Mit einer lieben Freundin. Macht man ja manchmal. Aber der Film war eine Besonderheit. Es war der Film „embrace“ von Taryn Brumfitt. In Deutschland stark promotet von Nora Tschirner. Angelaufen ist der Film bei uns am Donnerstag, 11.5.17 – da konnte ich leider nicht. Aber Gott sei Dank wurden ja doch noch ein paar Tage drangehängt...

Soweit so gut. Ich war sehr gespannt. Mich hat der Trailer und auch die Geschichte hinter dem Film, ein Interview mit Nora Tschirner print und die Gespräche, die ich schon im Vorfeld erlebt habe, sehr angesprochen und interessiert.

Ach so, vielleicht sage ich noch: ich trage Kleidergröße 36. Alles klar, jetzt wisst ihr das auch.

Der Film war gut! Und wenn ich ehrlich bin, war ich ganz schön froh, dass ich nicht schon zu Beginn in Tränen ausgebrochen bin. Ich fand ihn ehrlich, beeindruckend und etwas Wichtiges auf die Leinwand bringend.

Da bin ich doch gänzlich anderer Meinung als Heike-Melba Fendel, die auf Zeit-Online einen echten Verriss zu „Du bist schön“ schrieb. Sie spricht ihm den Dokumentar-Status ab, sie findet ihn seicht, und Taryn Brumfitt kommt eher als eine nicht ausgelastete 3-fache Mutter rüber, denn als Frau mit echtem Anliegen. (Wer von euch hat schon mal eine Mutter von 3 Kindern erlebt, die wirklich – WIRKLICH – solche Langeweile hatte, dass sie ein Crowdfunding startet, mehrere Wochen ohne ihre Kinder durch die Gegend reist, einen Film macht und ihn auch noch promotet – nicht zu reden von den dran hängenden „Kleinigkeiten“???)

Liebe Frau Fendel, ich muss widersprechen! Warum? Das erkläre ich gerne:

Nach dem Film wischte ich mir dann doch Tränen weg. Ich war aus einem anderen Grund tief betroffen, als ich erwartet hatte. Auf dem Weg zum Auto sprachen meine Freundin und ich natürlich über diesen Film. Als ich sagte „Oh Gott, wie oft stand ich vorm Spiegel und mochte mich nicht anschauen!“, war sie so platt und die Antwort passte zum Film „Du? Warum?“.

Wie oft hatte ich in meinem Leben sowas wie „du hast doch keinen Grund. ...“ gehört. Und trotzdem trafen auch mich die Grundthemen des Films ins Mark. Und ich spürte unendliche Dankbarkeit für den guten Weg, den ich hinter mir habe. Der mich die heimliche Scham und die Ablehnung meines Körpers überwinden ließ. Es geht nicht nur um „die Dicken“. Es geht nicht nur um die Frauen, die mit viel Körpermasse hadern, kämpfen, darunter leiden. Es geht auch um die (im Film angesprochenen und zu Wort gekommenen) Frauen, die sich in Krankheit hungern, um Menschen, die dem allgemeinen Bild nicht mehr entsprechen, weil Behinderung / Verletzung ihren Körper verändert hat. Es geht um alle Bereiche, die mit diesem elenden Körperkult (und der ist – ja, das ist richtig – nicht nur weiblich) zu tun haben. Noch immer ist das Model auf dem Laufsteg das Maß aller Dinge!

Meine Tochter ist 14 Jahre. Seit sie ca. 11 Jahre alt ist, wird sie von außen mit diesem ganzen, sorry, Scheiß infiziert. Sie ist schlank, tanzt, ist ein ganz normales Mädel und ich war zutiefst erschrocken, als ich aus ihrem Mund einmal hörte „ich bin zu dick“! Es ist normal, dass junge Mädchen sagen, sie seien zu dick! Und sie sind sich nicht im Klaren darüber, wer „zu dick“ definiert!

Ich bin in einer Generation aufgewachsen, in der Frauen eine Diät nach der anderen machten. Auch meine Mutter lief im Trend ihrer Generation... und ich „musste“ mit. Ich hatte mit 20 schon zig Diäten irgendwie mitgemacht. Mit Folgen. Und es war hart aus diesem Selbstbild und dem „ich bin zu dick, will perfekt sein, will begehrt werden“ herauszukommen.

Nein, der Film ist wichtig Frau Fendel, weil er eben nicht zu den Dingen gehört, die offene Türen einrennen! Wir können dieses Thema und alle Themen, die noch dran hängen, gar nicht laut genug machen.

Liebe Leserin: schau dir gerne diesen Film an. Er lohnt! Ich werde ihn mit meinen Kindern noch einmal anschauen. Mit Tochter und Sohn! Ich glaube nämlich, dass er auch zum geschlechterübergreifenden Verständnis um Befindlichkeiten, Gefühle und das Selbstbild vieler Frauen beitragen kann.

Also ja, diese Kolumne ist ein Filmtipp. Und ein Plädoyer! Nicht für Kilos, sondern für Selbstliebe und Akzeptanz. Für Toleranz der anderen Art und Selbstreflektion – gerade bei Frauen.

Eure
Annette Bauer
Achtsamkeitslehrerin – Coach für Vielbegabte – Autorin

 

Annette Bauer ist systemische Coach, Achtsamkeitsexpertin, entschleunigt den Alltag und ist für Menschen da, deren Systeme (Familie, Arbeitsplatz, Beziehung) zu eng, nicht passend oder in Schieflage sind. www.annette-bauer.com und achtsamkeitscoach.wordpress.com/

Annette Bauer

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