Kolumne: Auf ein Wort ... Annette Bauer schreibt!

von Andrea Buchelt

von Annette Bauer

Ich stoße gerade mal wieder an eine meiner Grenzen

Wann ist dir das zuletzt passiert? Wenn ich ehrlich bin, habe ich heute mehr als eine Grenze gespürt: die meiner Gesundheit, da schon wieder eine Erkältung die meisten Planungen durcheinander bringt. Die meiner Geduld mit meinen Pubertierern, bzw. mit mir im Zusammenspiel mit den beiden. Die Grenze, über die ich aber eigentlich schreiben will, ist die meiner Möglichkeiten. ???

Ja, meiner Möglichkeiten, einen perfekten Haushalt zu haben. Braucht man nicht? Weiß ich ja alles. Und es muss ja auch gar nicht perfekt im Sinne von alles geleckt und essen vom Boden und nirgends liegt etwas rum sein.

Aber wie schon erwähnt, die Erkältung zieht Kraft. Würde ja alleine schon reichen. Ich stecke aber auch noch in einem besonderen Projekt. Und da mag man es ja gar nicht, wenn man so hemmungslos rausgekegelt wird. Und wenn dann wieder mal 1000 Dinge passieren, die nicht im Plan stehen? Steht der Wäscheständer zwei Tage. Die Wäsche ist auch schon seit zwei Tagen trocken. Dann flockt es auf der Fensterbank. Dann sehen in meinen Augen die Krümel jeder Mahlzeit unter dem Esstisch aus wie die Alpen. Springen mich die Haare im Bad auf dem Boden an  als seien es lebendige Ungeheuer. Und trotzdem – es nutzt nichts: ich muss Prioritäten setzen.

Muss. Muss. Muss. Da ist es wieder. Und ich sage mir: Annette, was musst du denn? Eigentlich doch gar nichts. Jedes muss ist in meinem Kopf. Erste Priorität: nicht „müssen“ denken. Ruhig durchatmen. Zweite Priorität: was brauche ich jetzt wirklich, damit es mir gut geht? Wenn es hilft, dann nimm dir ein feuchtes Tuch und wisch über die Fensterbänke. Flocken weg und Flocken aus dem Kopf: Gehirnecke frei für anderes. Dauer: 10 Minuten. Wenn das kein Gewinn ist.

Dritte Priorität: aus der Not eine Tugend machen. Wäsche abnehmen und falten ohne Hektik, dafür einen Gedankenausflug zu den Dingen, die in dieser schrägen Zeit dann doch schön sind. Gut klappen. Freude bereiten. Der Blumenstrauß gestern. Das überraschende gemeinsame Mittagessen mit den Kindern. Die halbe Stunde in der Badewanne. Mein Dankbarkeitskonto fühlt sich gut an und die Wäsche ist (fast) komplett gefaltet.

Dieser vertrackte Tag endete dann sogar mit einer vorgekochten gesunden Suppe für morgen.

Grenzen wahrzunehmen hat immer wieder die berühmten zwei Seiten. Ich möchte natürlich gerne alles so hinbekommen, wie ich es geplant habe. Aber die Ohnmacht auszuhalten und es anders zu machen, wenn eben alles anders kommt, braucht einen inneren Ruck. Wenn ich mir den geben kann ist eigentlich alles wieder gut.

Diese persönlichen Grenzen erlebt jede auf eigene Art. Mal im Job, mal im Privatleben, als Allrounder-Mama, die viele Dinge wuppt oder als was auch immer. Aber eines haben wir alle gemeinsam: unsere Grenzen. Und sie zu spüren ist ein großes Geschenk des Lebens. Denn es sind die Momente, die uns zum Innehalten und nachjustieren einladen. Ja, wir können auch einfach alles wegatmen, und weiter machen. Hilft langfristig aber wenig. Lieber achtsam auf mich selbst bleiben. Und die Grenze, wenn sie sich dir entgegenstellt willkommen heißen. Prioritäten setzen. Tempo raus.

Und der Haushalt ist für mich immer wieder ein Signal meiner Grenzen. Wenn ich das Gefühl bekomme, ich lebe im Chaos (wo andere meist den Kopf schütteln), winkt die Grenze schon mit einem netten Hallo und sagt: hey, schalt mal runter. Irgendwas ist hier gerade zu viel.

Nein, ich brauche keinen perfekten Haushalt. Nur der innere, der Kräftehaushalt, der sollte im Lot sein.

 

Annette Bauer ist systemische Coach, Achtsamkeitsexpertin, entschleunigt den Alltag und ist für Menschen da, deren Systeme (Familie, Arbeitsplatz, Beziehung) zu eng, nicht passend oder in Schieflage sind. www.annette-bauer.com und achtsamkeitscoach.wordpress.com/

Annette Bauer

Zurück