Kolumne: Auf ein Wort ... Annette Bauer schreibt!
von Andrea Buchelt
von Annette Bauer
Mit Kindern reden
Ja, und sie knüpft schon wieder an die vorangegangene Kolumne an. Wird das hier ein Fortsetzungsplot? Nein, keine Sorge.
Als ich über den Film Embrace schrieb, erklärte ich am Ende, ich würde den Film noch einmal schauen, und zwar mit meiner Tochter – und mit meinem Sohn! Tja, jetzt habe ich es wirklich getan. Meine Kinder sind 14 und 12. Beide recht aufgeschlossen, Kinder mit Interesse an vielen Dingen. Ich weiß ja nicht, wie es bei euch Leserinnen so steht um die Themenvielfalt mit euren Kids, aber bei uns hat da sehr viel Platz. Und dafür bin ich auch sehr sehr dankbar.
Ich hatte meine Kinder vorgewarnt, dass es sich um eine Doku handelt, dass das Thema schon auch „Gewicht“ hat und eventuell hier und da bei Ihnen ein (Achtung, Jugendsprache!) „What? Oh Fuck – MUTTER! Was – WARUM?“ hervorrufen könnte.
Ach ja, der Filmabend wurde abgerundet von der Anwesenheit meiner Mutter – drei Generationen schauen eine Doku zum Thema Bodyshaming. Spannend.
Wir mussten oft auf die Stop-Taste drücken. Es kamen einfach sehr viele Fragen auf. Und die wurden umgehend beantwortet. Manches befremdete die jungen Menschen, anderes erstaunte sie und – ich hatte es erwartet – einiges kam ihnen durchaus bekannt vor. Meine Tochter erzählte anschließend, nachdem sie eine halbe Stunde eine Art Schockstille durchlebte, was in der Schule schon an Tipps und Tricks rundgeht, wie man vor den Eltern verheimlichen kann, dass man nichts gegessen hat. Bevor das Pausenbrot weggeworfen wird, schmiert man damit ein bisschen in der Brotdose rum. Die Trinkflasche – ein Mysterium. Die Mädels raten sich, statt zu essen einfach nur zu trinken. Übrigens wenden sie den Trick mit der Brotdose auch beim warmen Essen an: Die Portion nicht zu groß wählen und dann geschickt das Essen hin und her schieben, den ganzen Teller „markieren“ und dann sagen, man schafft nicht alles und ist schon satt. Und es scheint wirklich zu funktionieren.
Wir sind gemeinschaftlich erstaunt, was Eltern alles nicht blicken.
Thema Diät. Ja, meine Mutter nicht viel sagend, als von den Generationen berichtet wird, die durch Diäten viel erleiden mussten. Nur nicht, dass sie beim Abnehmen hilfreich waren …
Und als Nora Tschirner auf dem Bildschirm erscheint, machen wir lange von der Stop-Taste Gebrauch. Mein Sohn erfüllt alle Erwartungen und fragt, was die denn für ein Problem hätte, die wäre doch gar nicht dick. Es folgt ein gutes Zwischengespräch über den Druck der im Allgemeinen auf den Menschen lastet, nicht nur auf den sogenannten Dicken, und die Filmbranche … Sehr gut! Danke Großer!
Ich weiß, warum ich mit meinen Kindern fast täglich Nachrichten schaue. Wir sprechen über das, was in der Welt geschieht. Ich weiß auch, warum ich mit meinen Kindern Filme schaue, von denen andere Eltern vielleicht denken, sie seien nicht geeignet. Wir sprechen auch über Meinungen, Tendenzen, über Vorurteile und das, was wir Menschen uns antun.
Am Ende dieser Kolumne und eigentlich mit ihr, halte ich ein Plädoyer für einen frühen und offenen Umgang mit „kniffligen“ Themen. Mütter (und Väter): sprecht mit euren Kindern! Erzählt auch von euren persönlichen Erfahrungen! Gebt euren Kinder ein Vorbild darin, über Dinge zu sprechen, über die wir teilweise lernen mussten zu sprechen: unseren Körper, über Schönheit, Alter, Behinderung, über Mobbing, über Hänseln und alles, was dran hängt. Und redet nicht nur mit den Mädchen. Denn unsere Jungs bekommen über Einflüsse außerhalb des Elternhauses viele Prägungen für ihr Frauen-, Rollen- und Geschlechterbild. Und auch dazu, wie sie selbst sein sollten. Unsere Kinder brauchen uns in allen Fragen, auch denen, die uns vielleicht unangenehm sind ;-)
Eure
Annette Bauer
Achtsamkeitslehrerin – Coach für Vielbegabte – Autorin
Annette Bauer ist systemische Coach, Achtsamkeitsexpertin, entschleunigt den Alltag und ist für Menschen da, deren Systeme (Familie, Arbeitsplatz, Beziehung) zu eng, nicht passend oder in Schieflage sind. www.annette-bauer.com und achtsamkeitscoach.wordpress.com/