Kolumne: Kleine Stresssprechstunde

von Andrea Buchelt

von Andrea Schweers

Frühjahrsputz für unseren Geist

Das Fight-or-flight-Syndrom

Immer wenn wir in unserem Alltag eine Situation als bedrohlich empfinden, reagiert unser Körper alarmiert. Er greift dabei auf ein inneres, archaisches Überlebenssystem zurück, das uns in Gefahrensituationen aufs Beste damit ausstattete, entweder zu fliehen oder zu kämpfen. Immer dann, wenn wir um unser Leben fürchten mussten.

Die heutigen Situationen, die unser Geist als bedrohlich bewertet, sind subtiler als die in der Vergangenheit und die seit Urzeiten konditionierten körperlichen Abläufe helfen uns dabei in den seltensten Fällen weiter. Wer rennt schon weg aufgrund von anhaltendem Termindruck und einer Flut noch zu beantwortender E-Mails oder fordert seinen Chef zum Kampf heraus, wenn dieser unseren Einsatz nicht zu schätzen weiß?

All das interessiert unser Alarmsystem wenig, und es macht sich wie eh und je in Windeseile zu Kampf oder Flucht bereit. Adrenalin wird ausgeschüttet, Puls und Herzfrequenz steigen, Muskeln und Gehirn werden aktiviert ... und dann? Wir bleiben auf all diesen Körperreaktionen „sitzen“ und häufig passiert das so schnell, dass wir es gar nicht bewusst wahrnehmen. Was wir wahrnehmen, ist vielleicht ein latentes Unwohlsein, das wir uns nicht so recht erklären können und so schnell wie möglich loswerden wollen.

Passiert etwas Derartiges hin und wieder, ist unser Körper-Geist System gut in der Lage, das zu kompensieren.

Irgendwann wird alles Stress

Schwierig wird es jedoch, wenn wir eine Situation über einen längeren Zeitraum als Überforderung empfinden und gleichzeitig das Gefühl entsteht, wir könnten nichts dagegen tun. Dann führen die Folgen solch einer chronischen Stressbelastung zu einer Überlastung unserer Körpersysteme – es kommt zu einer körperlichen und seelischen Erschöpfung. Selbst das Treffen mit Freunden, das Spielen mit den Kindern oder das morgendliche Laufen werden zu einem weiteren Punkt auf der nicht enden wollenden To Do-Liste.

Vom Wunsch nach schneller Entspannung

Dass Stress gesundheitliche Auswirkungen auf Körper, Geist, Seele und unser tägliches Wohlbefinden hat, ist den meisten von uns bewusst. Und dennoch fällt es vielen schwer, regelmäßige Auszeiten und Erholungsphasen im Alltag einzuplanen. Irgendwie scheint immer alles andere wichtiger zu sein, als die Batterien aufzuladen, unserem Geist ein wenig Leerlauf zu gönnen und einfach zu entspannen. Zumal das mit dem „auf Knopfdruck entspannen“ auch gar nicht so einfach ist.

Wer kennt das nicht – wir sitzen nach einem angefüllten Tag auf dem Sofa und wollen einfach mal durchatmen und runterkommen. Doch was unser Körper signalisiert – Füße hochlegen, Augen schließen und einfach mal nur mit uns selbst zu sein, ist selten der Plan unseres Geistes. Kommt unser Körper zur Ruhe, geht der Geist seine eigenen Wege. Er geht dahin, wo er sich bevorzugt aufhält – er versucht in die Zukunft zu schauen und folgt in Gedanken all den Situationen des Tages, die vielleicht nicht so gut gelaufen sind. Er lässt den Tag Revue passieren und kreist um die Frage, wie wir Situationen vielleicht erfolgreicher, schlagfertiger, schneller - einfach rundum hätten besser lösen können. Wenn ... ja wenn wir denn nun mal perfekter wären.

Zu den äußeren Stressoren kommen die inneren Antreiber. Wenn es unserem Geist gelingt, uns erstmal in diese Gedankenketten und in die dazu gehörigen Geschichten zu entführen, folgt sogleich das Bedürfnis nach „Ruhe da oben“ und vor allem der Wunsch nach schneller Entspannung.

Vom Bedürfnis zur Umsetzung ist es dann nur noch ein kleiner Schritt – die kleine Auszeit mit Zigarette, das Glas Wein, schnell was essen (selber und frisch wird morgen gekocht) und der Druck auf den Einschaltknopf des Fernsehers oder Laptops – und plötzlich ist es Zeit schlafen zu gehen, um am Morgen wieder fit zu sein.

Hätten wir uns wirklich entspannt, würden wir uns erfrischt, erfüllt und zufrieden fühlen. Tun wir das nach so einem Abend? Oder fühlen wir uns vielleicht ein bisschen schuldbewusst und sind unzufrieden mit uns, weil wir es wieder nicht geschafft haben, gut für uns zu sorgen? Das macht wieder Stress.

Der erste Schritt beginnt im Kopf

Das, was wir denken setzt in uns einen sich selbst verstärkenden Kreislauf von Gefühlen, Körperempfindungen und Verhalten in Gang. Daher können wir mit dem, wie wir denken unser Verhalten beeinflussen.

Was nicht heißt, dass wir unerwünschte Gedanken und darauf folgende Gefühle einfach verdrängen können – das wird uns nicht gelingen. Aber wir können die Entscheidung treffen, nicht darauf zu hören, wenn unser Geist eigene Wege geht. Ob wir darauf hören oder nicht, entscheiden wir selbst, oder?

 

Mingyur Ringpoche, ein buddhistischer Mönch, nennt unseren unruhigen Geist „Affengeist“, und er rät dazu, uns mit diesem Affengeist anzufreunden. “Aber wie geht das?“ fragt er. „Ihm einfach eine Banane geben, funktioniert nicht“ und deshalb rät er uns „Gib dem unruhigen Geist eine Beschäftigung und bitte ihn: Hallo, achte auf deine Atmung. Und dein Geist ist beschäftigt.“ So atmest du bewusst und dein Geist kommt zur Ruhe.

„Einatmen

Ausatmen

Einatmen

Ausatmen

Auch wenn dir immer wieder unterschiedliche Gedanken durch den Kopf gehen, solange du bei deiner Atmung bleibst, ist alles in Ordnung. Einfach nur auf die Atmung achten.

Einatmen

Ausatmen

Einatmen

Ausatmen

Manchmal reicht es schon, dieses ein oder zweimal in bestimmten Situationen zu tun.“

Verbinden wir uns bei Stress mit unserem Atem, verbinden wir gleichzeitig unseren Geist mit unserem Körper. Damit ist es leichter zu erkennen, wenn sich aufgrund unserer Gedanken unser Körper anspannt, andere körperliche Reaktionen in Gang gesetzt werden und ungute Gefühle folgen.

Durch das achtsame Atmen reguliert sich unser Blutfluss und stellt das Gleichgewicht zwischen Geist und Körper wieder her. Das Erkennen dieses Stresszyklusses schafft automatisch eine Verbindung zwischen unseren Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen. Das führt zu mehr Gleichgewicht und lässt uns bewusste Entscheidungen treffen.

Und das funktioniert nicht nur am Ende eines langen Tages.

Andrea Schweers ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und Stressbewältigungs und Entspannungstherapeutin. Menschen individuell auf ihrem Weg zu begleiten mithilfe ihrer eigenen, natürlichen Ressourcen ist ihr Anliegen.

„In jedem von uns wohnt ein innerer Arzt“.

Sie arbeitet mit körperorientierten Verfahren und bietet achtsamkeitsbasierte Stressbewältigungskurse und Seminare mit bestimmten Schwerpunkten an.

Naturheilkundezentrum Midgard
Obernstraße 14
28195 Bremen

Tel.: 0421 – 43741098
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Kolumnistin Andrea Schweers
Kolumnistin Andrea Schweers

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