Kolumne: Kleine Stresssprechstunde

von Andrea Buchelt

von Andrea Schweers

In uns selbst zuhause sein



Unser Leben ist denk– und sprachgewaltig. Über etwas nachzudenken und darüber zu reden sind kognitive Leistungen, die in unserer Welt einen großen Stellenwert haben. Wir trauen unserem Verstand und lassen unseren Kopf die meisten unserer Entscheidungen treffen. Wir stellen fest, wir urteilen, wir erkennen, wir analysieren, wägen ab, wir ziehen in Betracht, reflektieren und strengen unseren Geist an.

Abstrakt denken, zu logischen Schlüssen kommen und andere rhetorisch geschickt davon zu überzeugen, steht in der Rankingliste, auf dem Weg zu einem erfolgreichen Leben, weit oben. Diese Überzeugung macht auch vor der Erziehung unserer Kinder nicht halt. Wer etwas werden will, fängt damit am besten so früh wie möglich an, scheint das Motto zu sein.

Eltern machen sich Gedanken darüber, wie sie ihre Kinder von Beginn an so fördern können, dass diese den Einstieg in die „Leistungsliga“ nicht verpassen.

Vor kurzem las ich in einem Artikel von Spiegel online über ein Forschungsprojekt finnischer Forscher, die einen Zusammenhang herstellten zwischen dem regelmäßigen Abspielen von Übungssprach-CDs vor der Geburt eines Kindes und dem daraus folgenden Lerneffekt nach der Geburt. Womöglich ließen sich auf diese Weise sprachliche Fähigkeiten üben, hieß es dort.

„Den Autoren zufolge legen die Ergebnisse nahe, dass Kinder leichter sprechen lernen, wenn sie vor der Geburt systematisch mit Sprache konfrontiert werden. Das Nervensystem werde so auf akustische Feinheiten vorbereitet. Durch auditives Training bei Föten ließe sich möglicherweise auch Sprachfehlern und Lese-Rechtschreib-Schwäche vorbeugen.“

Weiterhin schreibt Spiegel online: “Im Bereich Frühpädagogik gilt Deutschland als der am schnellsten wachsende Markt weltweit.“

DVDs und CDs mit Titeln wie "Baby Einstein", "Baby Bach" oder "Baby Shakespeare" sind nur Beispiele davon, was der Markt zu bieten hat.

Das Gras wächst nicht schneller wenn man daran zieht sagt ein afrikanisches Sprichwort.

Ist es Angst, die uns dazu bringt über die richtige Förderung unserer Kinder schon vor dem ersten Atemzug nachzudenken? Haben wir vergessen, was unsere Kinder wirklich brauchen und von sich aus mitbringen?

Es sind die selbstständige und natürliche  Aktivität und Bewegung, die wichtig sind für die Entfaltung der Persönlichkeit von Kindern und das gilt auch für das kognitive und soziale Lernen. Jedes Kind hat dabei sein eigenes Tempo und bringt sein eigenes Temperament mit. Kleine Kinder experimentieren mit Dingen ihrer Umgebung und sind dabei auf natürliche Weise im Kontakt mit sich selbst und mit anderen.

Im Dialog, mit Forscherdrang und durch Versuch und Irrtum bekommen Kinder alle Informationen über Material und Umwelt und ein sicheres Gefühl für den eigenen Körper.

Unsere Präsenz, unsere Feinfühligkeit und Zuverlässigkeit als Eltern ist es, die es unseren Kindern ermöglicht ihre Selbstwirksamkeit zu entdecken, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zu entwickeln. - und das ist Welten entfernt von „Baby Einstein“ als CD.

Die Familientherapeutin Naomi Aldort schreibt in ihrem Buch „Von der Erziehung zur Einfühlung“:
„Grundbedürfnisse sind Themen wie emotionales Wohlbefinden, Sicherheit, Nähe, Liebe, Autonomie, die Freiheit sich auszudrücken, Neugier, Ruhe, Schlaf, Bewegung. Grundbedürfnisse zu erfüllen bedeutet nicht, Spielzeug oder Süßigkeiten zu schenken. Es heißt auch nicht, das Kind anzuhalten, immer der Erste sein zu müssen oder dem Kind alle Wünsche zu erfüllen.“

Körperfühl versus Kopfkarussell

Emotionales Wohlbefinden, Sicherheit, Neugier, Bewegung, Liebe, Autonomie – das sind Bedürfnisse, wie wir sie als Kind auch hatten und auch heute noch als Erwachsene haben. Die Erfüllung dieser Bedürfnisse findet nicht in unserem Kopf statt. Sie ist beheimatet in unseren Körpern.

Leider ist es häufig so, dass wir uns in und mit unserem Körper nicht wohl fühlen. Ein Blick in den Spiegel und sofort folgen Gedanken wie zu dick, zu dünn, Beine zu kurz, Haare zu dünn und wie guckst du überhaupt. Wir sind es eher gewohnt, uns mit kritischen Blick von außen zu beobachten als nach innen, in unseren Körper hineinzuspüren. Dabei ist er es, der uns zuverlässig mit allem versorgt, was wir brauchen und der uns über unsere Körperempfindungen deutlich zeigt, was uns gut tut und was nicht. Er ist ein zuverlässiger Seismograph für Empfindungen, die ein Spiegel dessen sind, was gerade in uns los ist.

Je mehr wir unsere Grundbedürfnisse wieder bewusst wahrnehmen, desto mehr steigt das Vertrauen in unser Bauchgefühl und wir können unseren Kopf immer öfter in den Urlaub schicken.

 

Andrea Schweers ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und Stressbewältigungs und Entspannungstherapeutin. Menschen individuell auf ihrem Weg zu begleiten mithilfe ihrer eigenen, natürlichen Ressourcen ist ihr Anliegen.

„In jedem von uns wohnt ein innerer Arzt“.

Sie arbeitet mit körperorientierten Verfahren und bietet achtsamkeitsbasierte Stressbewältigungskurse und Seminare mit bestimmten Schwerpunkten an.

Naturheilkundezentrum Midgard
Obernstraße 14
28195 Bremen

Tel.: 0421 – 43741098
www.klar-sinn.de
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Kolumnistin Andrea Schweers
Kolumnistin Andrea Schweers

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