Kolumne: Genuss ohne Reue

von Andrea Buchelt

von Claudia Earp

Bitter - der vergessene Geschmack

Bitter ist neben süß, sauer, salzig und umami eine der fünf Geschmacksrichtungen, die von unserer Zunge wahrgenommen werden können. Der bittere Geschmack hat u.a. eine verdauungsfördernde Wirkung. So ist der Espresso nach dem Essen durchaus eine gute Wahl. Zudem leitet bitter nach unten aus, wie du vielleicht bei der Einnahme von Bittersalz selbst schon mal feststellen konntest.

Nahrungsmittel können Heilmittel sein, so kannst du zum Beispiel indem du eine Zucchinisuppe mit frischem Basilikum isst und dazu einen grünen Tee trinkst deinen Körper bei der Bekämpfung einer Entzündung positiv unterstützen. Auch bei Kopfschmerzen kann ein grüner Tee eine gute Wahl sein, die Bitterstoffe darin führen die Hitze aus dem Kopf hinunter in den Körper und sorgen so für Linderung. Übrigens findest du am Ende des Beitrags noch ein Video mit einigen Spezial-Tipps!

Was bitter dem Mund ist dem Herzen gesund

In kleinen Mengen unterstützt der bittere Geschmack das Herz. So regt Kaffee zum Beispiel an, bittere Gemüsearten beruhigen hingegen. In großen Mengen schadet Kaffee dem Herzen allerdings, zu viel davon macht uns nervös. "Was bitter dem Mund ist dem Herzen gesund" bedeutet, dass bittere Lebensmittel das Herz-Kreislaufsystem aktivieren und zudem die Verdauung unterstützen und ausleitend wirken.

Spannenderweise tolerieren wir heutzutage den bitteren Geschmack fast nur in Genussmitteln wie Kaffee, Bier und Schokolade. Im Essen ist bitter dagegen nicht mehr gefragt. So werden sogar gezielt Bitterstoffe aus Gemüse heraus gezüchtet. Dabei ist diese Geschmacksrichtung so wichtig für unsere Gesundheit und unterstützt uns sogar bei den Bemühungen, unser Wohlfühlgewicht zu erreichen. Das Verschwinden der Bitterstoffe hat Folgen für unsere Gesundheit. Doch wie konnte es so weit kommen?

Auf unserer Zunge finden sich 25 Rezeptoren für den bitteren Geschmack

Die meisten Deutschen trinken nur im Krankheitsfall Teemischungen mit getrocknetem Löwenzahn oder essen gar frische Löwenzahnblätter im Salat. In den 40ern und 50ern des letzten Jahrhunderts waren unsere einheimischen Gurken sehr wohl noch bitter. Damals musste man deshalb noch die Enden abschneiden. In den 1980er Jahren gab es in der DDR ein Programm für die bitterfreie Gurke. Heutzutage sind die dafür verantwortlichen Alkaloide, die Curcurbitacine, komplett aus der Gurke verschwunden.

Inzwischen werden Bittergurken bei uns nicht mehr angebaut, sondern nur noch importiert und auch das in verschwindend kleiner Menge. So werden laut der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung jährlich nur 700 Tonnen Bittergurken importiert, aber gut 37.000 Tonnen Kakis und 100.000 Tonnen Kiwis. Bittergurken werden vor allem in Asia-Läden angeboten.

Diese Zahlen zeigen deutlich, unser Geschmack geht weg von bitter und hin zu süß. Das Problem: je weniger wir davon essen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Nachfahren den bitteren Geschmack gar nicht mehr tolerieren werden. Und das wäre fatal. Unstrittig gilt bei Bitter die Formel: die Dosis macht das Gift.

Die Bitterstoffe in den Pflanzen sind Abwehrstoffe, mit denen sich die Pflanze vor Feinden schützt – wozu auch der Mensch zählt. Eine zu hohe Dosis an Bitterstoffen kann bis zum Tod führen. Normalerweise schlagen die Rezeptoren auf unserer Zunge jedoch vorher Alarm und melden die Gefahr ans Gehirn, das mit einem Würgereflex reagiert, damit dieser Stoff erst gar nicht in unseren Körper gelangen kann.

Radicchio-Salat mit Granatapfelkernen

 

Zu viel Süßes auf unseren Tellern

Die Menschheit versucht die Geschenke der Natur schon seit Beginn des Ackerbaus zu optimieren und für sich nutzbar zu machen. So ist aus vielen ungenießbaren Gemüsesorten, wie zum Beispiel der Wildmöhre die für uns essbare Karotte geworden. Das jedoch auf Kosten der darin enthaltenen Bitterstoffe. Vielleicht hast du als Kind auch keinen Rosenkohl gegessen. Zu meiner Kinderzeit war der auch noch bitter. Das ist heute komplett rausgezüchtet worden.

Auch Chicorée, Rucola und Radicchio sind gute Beispiel dafür. Der Kunde ist bekanntlich König und die Mehrheit der Menschen bevorzugt den süßen Geschmack. Die Kehrseite der Medaille: unsere Zunge ist bitter nicht mehr gewohnt und mit dem Geschmack verschwindet nicht nur das Aroma, sondern auch Vitamine und Spurenelemente.

Zudem führt unsere Bevorzugung des Süßen dazu, dass die meisten Menschen viel zu viel davon essen und das fördert zahlreiche Zivilisationskrankheiten, wie auch Krebs. In den letzten 100 Jahren ist der Zuckerkonsum pro Kopf von rund 5 Kilogramm auf heute mehr als 30 Kilogramm pro Jahr angestiegen. Bei gleichzeitig erheblich geringerem Bitterstoffanteil in den Nahrungsmitteln.

Bitterstoffe als Vorbeugung gegen Krebs

Inzwischen ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass die noch vorhandenen bitteren Glucosinolate, die Brokkoli und anderen Kohlsorten helfen, sich gegen Schädlinge zu schützen, eine antioxidative Wirkung haben und einer Tumorerkrankung beim Menschen vorbeugen können.


Bitterstoffe gut für die Figur

Bitterstoffe helfen bei der Verbrennung von Fett. Wenn du dich durchringst mehr Bitterstoffe zu verzehren, wären ständige Diäten überflüssig und der Erfolg langfristiger. Aber Vorsicht: zu viel bitter in Form von Kaffee und Rotwein kann zu Trockenheitssymptomen, wie trockener Haut oder trockenem, hartem Stuhlgang führen.

Auch bei Symptomen wie trockenen Augen, Schlafstörungen, brüchigen Nägeln und innerer Unruhe, solltest du mit Bitterstoffen aus Kaffee etc. vorsichtig sein bzw. diese im Zweifelsfall eine Zeit lang meiden. Hier solltest du im Zweifelsfall eine Beratung in Anspruch nehmen, damit du weißt, welche Bitterstoffe gut für dich sind und in welcher Menge.

Zu wenig bitter: Die Gallenblase wird faul

Du kennst das bestimmt, du isst etwas Süßes und spätestens nach 2 Stunden hast du wieder Hunger. Inzwischen weiß man, dass wir von Bitterstoffen weniger zu uns nehmen und das Sättigungsgefühl auch länger anhält. Eine Tafel Vollmilchschokolade hast du erheblich schneller verputzt als eine Tafel mit mindestens 70% oder mehr Anteil Kakao. Unsere Gallenblase, die die für die Fettverdauung wichtige Galle produziert, wird ohne ausreichend Bitterstoffe immer fauler, kann nicht mehr richtig arbeiten und es kommt langfristig zur Bildung von Gallensteinen.

Die kostbaren Bitterstoffe regen nicht nur die Produktion von Gallenflüssigkeit an, sie sind für den gesamten Verdauungsprozess von enormer Wichtigkeit. So verbessern sie den Speichelfluss im Mund und seine Zusammensetzung. Und bekanntermaßen beginnt die Verdauung im Mund. Die nächste Station der Verdauung, der Magen, kann mit Hilfe von Bitterstoffen mehr Magensaft produzieren, um die Nahrung aufzuspalten und auch Bauchspeicheldrüse und Leber können optimaler arbeiten.

Dein Bauch liebt Bitterstoffe

Aus diesem Grund sollten bei Magen-Darm-Erkrankungen nicht nur die Ballaststoffe im Fokus stehen, sondern auch die Bitterstoffe, die jedoch in diesem Zusammenhang erstaunlich wenig erforscht sind.

Eine seit Jahrhunderten vor allem im Alpenraum bekannte Verdauungshilfe sind Kräuterbitter. Sie sind bekannt dafür, dass sie nach dem Essen für ein Wohlgefühl im Bauch sorgen. Der bekannte Schwedenbitter geht auf das 17. Jahrhundert zurück, wird heute jedoch bei weitem nicht so bitter angesetzt wie noch zu der damaligen Zeit. Und auch Hildegard von Bingen hat bereits vor 1000 Jahren bittere Kräutermischungen verwendet. Mit Kräuterbitter ist allerdings nicht die italienische Variante gemeint, die inzwischen sehr beliebt geworden ist. Wenn du zu einem Kräuterbitter greifst, dann sollte es „Underberg“ sein (nein ich mache hier keine Schleichwerbung), weil da noch reichlich bittere Kräuter drinnen sind. Mich schüttelt es jedes Mal, aber die Wohltat im Bauch ist schnell zu spüren. Ich möchte dich hier nicht dazu verführen nun regelmäßig Kräuterbitter zu trinken, da gibt es zum Glück reichlich nicht-alkoholische Alternativen.

Die Kleine Renaissance der Wildkräuter

Wildkräuter sind wieder in. Während des Zweiten Weltkrieges, waren viele Menschen auf wildes Gemüse angewiesen, um zu überleben. Meine Oma erzählte mir, dass sie in dieser Zeit u.a. Brennnessel gesammelt hat, um daraus Suppe zu kochen. In den 60ern war die Konservendose der Renner und in. Wer da noch Kräuter sammelte galt als seltsam. Nach dem Krieg wollten sich die Menschen das Leben wieder schön (süß) machen und das Bittere verschwand nach und nach vom Speiseplan. Heute werden Wildkräuterführungen vielerorts – selbst im Stadtwald - wieder angeboten und es wird fleißig Giersch, Brennnessel, Knoblauchrauke und Löwenzahn für den Salat gesammelt.

Mein Tipp für DICH:

Verwende beim Kochen regelmäßig bittere Gewürze oder Kräuter, das unterstützt und stärkt deine Verdauung! Ich baue diese verdauungsfördernden Gewürze und Kräuter immer in meine Rezepte mit ein, vor allem im Winter, wenn die Gerichte deftiger und gehaltvoller sind!

Hier kannst du dir zur Orientierung eine Liste mit bitteren Lebensmitteln hochladen.

Und hier findest du einen schnellen und leckeren Salat mit Chicorée, Radicchio und Granatapfel und den Radicchio vom Blech für deine tägliche Dosis Bitterstoffe!

Herzlichst

Claudia Earp

 

Und hier der Link zum Video

 

Claudia Earp
Food und Lifestyle Coach

www.claudia-earp.de

info@claudia-earp.de

Kolumnistin Claudia Earp
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