Wirtschaftsgemeinschaft


Umgebung Bremens, 1700, Beginenbesitzungen


Schüsselkorb um 1905

Beginen (seit 1258 nachweisbar), Wirtschaftsgemeinschaft

Die Beginenbewegung war eine religiöse Laienbewegung außerhalb der Klöster vorwiegend in den Niederlanden, in Belgien, in Frankreich und in Deutschland. Keuschheit, Buße und Gebet, Armut und körperliche Arbeit gehörten zum Glaubensleben der Frauen.
In den Konventen lebten und arbeiteten Mädchen, von ihren Ehemännern getrennte Frauen, Witwen und Ledige ohne feste Hierarchie, ohne einheitliche Regel oder Aufsichtssystem unter Obhut einer Magistra. Die Beginen legten keine ewigen Gelübde ab und konnten die Gemeinschaft zu jeder Zeit verlassen. Ihren Besitz brauchten sie weder den Armen zu schenken noch den Beginenhäusern zu übergeben.
Das Beginentum ermöglichte den Frauen, außerhalb der Zünfte selbständig zu arbeiten. zu Sie durften spinnen und weben, nähen und Wäsche in Heimarbeit waschen. Sie pflegten Kranke und unterhielten Mädchenschulen. Die Städte gewährten ihnen Steuerfreiheit. Die örtlichen Pfarrgemeinden übernahmen die religiöse Betreuung und halfen auch bei der Häusersuche. In der zweiten Hälfte des 15.Jahrhunderts wohnten und arbeiteten tausende Frauen in Beginenhäusern. Allein 169 Konvente gab es in Köln, 85 in Straßburg und 28 in Mainz.
Seit der zweiten Hälfte des 14.Jahrhunderts versuchten die Zünfte aus Konkurrenzangst und Ärger über die Steuerfreiheit der Beginen deren gewerbliche Betätigungsmöglichkeiten einzuschränken. Gleichzeitig kam es von seiten der Inquisition zu Verfolgungen wegen Ketzerei. Nach der Reformation wurden die Beginenhäuser entweder aufgelöst oder in Damenstifte umgewandelt.
Die Bremer Beginen wurden zum ersten Mal 1258 urkundlich erwähnt, als ihnen Erzbischof Hildebold, genau wie sein Vorgänger Gerhard II., das Privileg erteilte, bei den Dominikanern im Katharinenkloster die Sakramente zu empfangen und an den Gottesdiensten teilzunehmen. Im Gegensatz zu anderen Beginen lebten die frommen Bremerinnen in den beiden Konventen St. Nicolai und St. Katharinen allerdings nicht von "ihrer Hände Arbeit", also vom Stricken, Nähen, Krankenpflegen und Gartenarbeit, sondern vom Erlös ihres Grundbesitzes aus Pachten, Zinsen und Naturalabgaben. Ihr Grundbesitz garantierte ihnen als wertbeständige Anlage langfristige und sichere Einkünfte. Im Laufe von 200 Jahren kamen sie durch Schenkungen, Mitgiften und Käufe in den Besitz einer Fülle von Ländereien. Im 15.Jahrhundert verfügten die beiden Bremer Beginenkonvente nachweislich über Rechte und Besitzungen in folgenden Gegenden:
im Lehnstätter Feld, beim St.Paulskloster, im Neuenland, in Wallerbrok, Grolland, bei der St.Michaelskapelle, vor dem Herdentor, in Utbremen, vor dem Abbentor, Barkhof, an der Bornstraße vor der Stadt, Feldmark Arsten, beim Leprosenhaus vor der Stadt, zwischen Herden- und Ostertor, beim Tegelkamp vor der Stadt, Grambke, Arbergen, Kirchhuchting, Oslebshausen, St.Jürgen, Seehausen, Vahr, Lesumbrok, Mittelshuchting, Uphusen.
Für die Bewirtschaftung dieser umfangreichen Ländereien beschäftigten die Bremer Beginen Knechte und Mägde, vergaben Meierrechte und schreckten auch vor juristischen Auseinandersetzungen bei Streit in Erbschaftsangelegenheiten nicht zurück. In den beiden Konventen ließ es sich offenbar angenehm leben. Von Armut der Frauen konnte keine Rede sein, schlossen sich den Konventen doch viele Töchter aus Ratsfamilien an. So geht aus den Aufnahmeritualen eindeutig hervor, dass die Bremerinnen geradezu Sinn für Luxusgüter hatten. Von diesem guten Leben der Bremer Beginen zeugen die z.T. exotischen Naturalien, die die Aspirantin bei ihrem Eintritt in das Beginenkonvent am Abend vor der Zeremonie jeder Schwester schenken musste:
ein gutes Stück Ingwer, eine gute Muskatnuss, Datteln oder Rosinen, Salz, Malz und Bier.
Die Kirche "Unser Lieben Frauen" erhielt am Morgen einen Groschen bremisch oder einen "ghulden vingheren" und eine "gewichtige" Wachskerze.
Zu den Aufnahmefeierlichkeiten gehörten: Schinken, Weißbrot, Fleischbrühe, gutes Bier, ein langes Tischtuch, ein "rick" Handtuch, ein gutes, fettes Schaf, 14 Bremer Mark für die Unterhaltung des Hauses, 3 Mark zu gleichen Teilen an die Schwestern, 8 Mark zur Verwendung als ewige Rente. Im Laufe der Jahre stieg diese Summe auf 24 Mark und 1568 auf 50 Mark.
Die Beginen von St. Nicolai zogen 1602 ins Katharinenkonvent. Das Haus an der Hutfilterstraße wandelte die Stadt in das Rote Waisenhaus um, seit 1906 steht dort der Neubau der Bremer Sparkasse. Ein Teil des Vermögens, vor allem das Haus der Beginen von St. Katharinen konnte von den Rechtsnachfolgerinnen über Jahrhunderte gehalten werden. Im Stadtplan von 1866 ist das "St. Catharinen Stifft" deutlich eingezeichnet. Im Bremer Adressbuch von 1904 werden 21 Frauen namentlich aufgeführt, die im Catharinenstift am Schüsselkorb 3 wohnten. 1911 verkauften sie das Haus an die Stadt, die es später an die Commerzbank veräußerte. Mit dem Erlös erwarben sie das neue St. Catharinenstift an der Parkallee.

 Literatur  
- Bremer Adressbuch 1904 - Duby, Georges, Perrot, Michelle: Geschichte der Frauen, Mittelalter, S.316, 333 ff., 440, Frankfurt/M., Wien 1995
- Ennen, Edith : Frauen im Mittelalter, S. 237 ff., Frankfurt/M., Wien 1991;
- Peters, Günther: Die Bremer Beginen im Mittelalter, in: Niedersächs. Jahrbuch für Landesgeschichte 64/1992, S.131-181
- Schwaiger, Georg (Hrsg.): Mönchtum, Orden, Klöster, S.82 ff.,München 1994
- Shahar, Shulamith: Die Frau im Mittelalter, S.65 ff., Frankfurt/M. 1983;
- Wolf-Graaf, Anke: Die verborgene Geschichte der Frauenarbeit, S.70 ff., München, Weinheim, Basel 1994