Selbständige Frauenarbeit seit dem Mittelalter


Schriftgiesser


Kürschner


Steinschneider

Selbständige Händlerinnen und Handwerkerinnen (Mittelalter)

Während des Mittelalters hatten Frauen als selbständige Unternehmerinnen, als zünftige Meisterinnen, Gesellinnen und Lehrlinge und als freie Gewerbetreibende einen maßgeblichen Anteil an der Produktion und an den Dienstleistungen. Voraussetzung für den Erwerb des Meisterinnen-Titels war in manchen Städten neben der Erfüllung der Zunftvorschriften (Lehrzeit, Meisterstück, Morgenspeise) der Besitz der Bürgerinnen-Rechte, die oft mit dem Besitz von Grund und Boden und auch mit der Pflicht zur Ausübung von Wachdiensten verbunden waren.
In allen europäischen Städten des Mittelalters konnte jede Kauffrau, unabhängig vom Familienstand vor Gericht selbstständig klagen, und sie konnte auch verklagt werden. Ledige betrieben ihre Geschäfte unabhängig und ohne Vormund, verheiratete Frauen dagegen unterlagen der Geschlechtsvormundschaft.
Verheiratete Frauen übten entweder selbstständig und unabhängig vom Mann ein Gewerbe aus oder sie arbeiteten mit ihren Männern zusammen und führten gemeinsam einen Betrieb. Oftmals teilten die Eheleute die Arbeit auf, die Frau übernahm das Handwerk und der Mann den Verkauf oder Handel, und umgekehrt.
So findet man trotz mancher Beschränkungen zwischen dem 13. und dem 15. Jahrhundert in so gut wie jedem Handwerk, Gewerbe oder Handelsbereich Frauen. Es war selbstverständlich, auch Mädchen bei einer Meisterin oder einem Meister ein Handwerk lernen zu lassen.
Ab dem 16.Jahrhundert kann man nachweisen, dass durch Ausgrenzung der weiblichen Konkurrenz das Handwerk immer mehr zur männlichen Domäne wurde. Argumente wie Schutz vor harter Arbeit, Minderbegabung, Schwäche, sittliche Leichfertigkeit, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und sittliche Gefährdung der Lehrlinge durch die ausbildenden Meisterinnen reduzierten die Arbeit der Frauen auf Hilfsdienste und drängten sie in die Rollen der Mägde, Zugehfrauen, Hökerinnen.
Seit dem 18.Jahrhundert kann sich in Deutschland kaum noch jemand vorstellen, dass Frauen im Mittelalter in nahezu allen Wirtschaftsbereichen selbstständig tätig waren. Frauen als Unternehmerinnen wurden vergessen. Mitverantwortlich sind zweifellos die nachträglich veränderten Titel von zeitgenössischen Abbildungen selbständig arbeitender Frauen. Aus der französischen "Bürstenbinderin" wurde im Deutschen die "Frau des Bürstenbinders", dasselbe passierte mit der "Goldwägerin", der "Goldschmiedin", der "Brauerin" und der "Geldwechslerin".
In Bremen lassen sich verheiratete, verwitwete und ledige Handwerkerinnen seit dem 14. Jahrhundert nachweisen. Sie verkauften ihre Waren entweder selbst oder mit den Ehemännern zusammen auf Märkten, und traten somit auch als Händlerinnen auf, oder sie lieferten bestellte Ware ab.
Als Angehörige eines Meisters waren sie gleichzeitig Zunftmitglieder, aber offenbar nicht automatisch Bürgerinnen. Um Meisterin zu werden, war i.d.R. jedoch das Bürgerrecht Voraussetzung, seit 1655 Bedingung. In vielen Einzelfällen kann nicht mehr nachgewiesen werden, ob die Ehefrau mit Bürgerrecht neben ihrem Mann eigenständig als Meisterin arbeitete oder als "wyf" und "syn husfrowe" mitarbeitete. Viele Ehefrauen von Zunftmeistern wurden auf Antrag der Ehemänner, die für die Frauen bürgten, ins Bürgerbuch eingetragen. Daraus kann geschlossen werden, dass diese Frauen an der Produktion mindestens beteiligt waren. Vermutlich traten sie auch als selbstständige Handwerkerinnen auf, nachgewiesen werden kann es allerdings mit Sicherheit nicht.
Bürgerinnen
1328 Christine, die Witwe von Albertus, dem tegelmester (Ziegelmeister)
1342 Mechtildis, Ehefrau des Malers Hartwicus
1353 Elizabet, Frau von Godofredus, faber (Schmied)
1388 Wobbeke, Frau des Hermannus, Glaser
1390 Grete, Frau von Hans, khannengheter (Kannengießer)
1415 Aleke, wyf Grotelermens, des tymmermans (Zimmermann)
1417 Ermegard, die Frau des Metallgießers Hinrik
1420 Beata, wiff des koggenbuwers (Schiffs- bzw. Koggenbauer) Albert
1433 Geseke, die Frau des kannengheter Albert
1508 Brechte, Hausfrau von Johann Halss, Maler
1519 Armgardt, Hausfrau von Hinrik Segebade, Goldschmied

Mitarbeitende Ehefrauen
Oftmals gibt es Rechnungen, die belegen, dass Ehefrauen maßgeblichen Anteil an einem Werkstück bzw. einer Leistung erbrachten. Ehemänner und Väter forderten auch in deren Namen Zahlungsbeträge. 1615 "vortert" Christian Bockelman, der Orgelbauer, "mit siner Frauw" laut Martinirechnungsbuch 7 Mk. 2 Grote. Peter Hardenberg, der Maler, bemalte 1591 und 1592 das neue Kornhaus am Fangturm. Seine Frau Mettcken und die beiden Töchter Caterine und Grettek halfen ihm dabei und erhielten 10 und 8 Grote. 1599 "staffirte" er mit seiner Tochter und einem Gesellen den neuen Predigtstuhl der Stephanikirche. Sie erhielt dafür 8 Grote, der Geselle 12 Grote.
Selbstständige Verheiratete
a) Riemenschneiderinnen
Ehefrauen, die den Titel Meisterinnen trugen, findet man in großer Zahl bei den Riemern oder Riemenschneidern3. Die Riemenschneider bildeten eine eigene Zunft. Die Lehrzeit betrug mindestens vier Jahre. Hergestellt wurden das gesamte Zaumzeug, die Sattelgurte und die Steigriemen. Die Sattler stellten seit 1670 eine eigene Zunft. Manchmal waren die Riemenschneiderinnen mit einem "Sadeler" (Sattler) verheiratet, eine ideale Wirtschaftsverbindung.
Folgende Meisterin der Riemenschneider sind überliefert:
1319 Margareta, uxor (Gattin) Bernardi, sadelerer
1438 Gretek, Hinrikes Colners wiff, Sadelers
1438 heiratete derselbe Tybbeke, die wieder Meisterin war
1393 wurde die ledige Ghezeke, de Taschenmakersche (stellt Taschen her), genannt; 1321 Margareta, uxor Johannis
1456 Rixe, Clawes Crusen husvrouwe, des remensnyders
1483 Lumme van Munster, Engelbert Remensnyders husfrouwe
1489 Metteke, Clawes Byggnick sin husfrouwe
1618 Albert Klaußmanß Witwe (er selbst taucht als Meister nicht auf)

Als selbstständige Sattlerin wurden 1671 Bartolt Eschamins Witwe und Caspar Langes Witwe genannt. Später tauchten bei den Sattlern keine Frauen mehr auf.

b) Kürschnerinnen
Auch bei den Kürschnern, die seit ca. 1400 ein Amt (Zunft) in Bremen stellten und ihr Pelzerhaus seit 1238 in der Pelzerstraße unterhielten, waren Frauen Meisterinnen. Die KürschnerInnen gerbten und verarbeiteten Felle und Pelze. Die Lehrzeit betrug vier bis sieben Jahre, an die sich keine Wanderschaft anschloss. Als Meisterstück mussten innerhalb eines halben Jahres drei Mäntel genäht werden. Die Amtswitwen und -töcher waren begehrt und galten als beste Partie.
1445 wurde Wunneke, Hermens husvrowe van der Hoye, des Pylsers (Pelzer), Meisterin und 1459 erhielt Beke, des jungen Lippeldes, des Pilsers, husvrouwe den Titel.
Selbstständige Witwen
Als Witwen durften Frauen das Handwerk weiterführen. Ab dem Jahre 1600 verloren sie offenbar ihre Individualität. Sie wurden ausschließlich als Witwen ohne Vornamen geführt. Als Beispiele sind belegt die Witwe des Glasers Marten Frage, die 1637, noch 13 Jahre nach dem Tod ihres Mannes, Wappenfenster lieferte. Nach dem Tod des Steinhauers Hinrich von Hamme 1684 besorgte seine Witwe das Ausmessen der Steine mit Hilfe ihres Schwagers. Die Witwe des Steinhauers und Steinhändlers Joachim Fopma setzte die Geschäfte nach seinem Tod 1713 noch lange fort.

a) Pelzerinnen
Ab 1600 tauchten auch bei den Pelzern5 vornamenlose Witwen auf, die Mitglieder des Amtes waren:
1606 De Byckeneske Witwe, Hylle Fagedes Witwe und De Jedefeldeske Witwe
1608 De Bringmansche Witwe und De Stolttenowesche Witwe
1617 De Kulenkampeske Witwe
1658 Hinrich Schutt (de Schuttsche) Witwe
1673 Witwe Bouwersche, Witwe Pepersche und Witwe Postelsche
1677 Witwe Reinkersche und WitweSchuttsche
1679 Witwe Kollersche und Witwe Schlegersche

Bemerkenswert ist, dass keiner der verstorbenen Ehemänner unter den Meistern aufgeführt wurde, sie also wohl auch nicht Meister waren.

b) Brauerinnen
In der für Bremen so bedeutenden Bierproduktion6 arbeiteten seit dem Mittelalter Frauen als Brauerinnen. Brot backen und Bier herstellen unterlag keinen Zunftordnungen, Bier und Brot waren Grundnahrungsmittel. Brauen war freies Recht. Es ist nicht bekannt, ab wann Brauen eine gewerbliche Tätigkeit wurde. 1489 wurde erstmals eine Brauereigemeinschaft erwähnt, die nicht mehr jedem Zugang gewährte. Gegen Bezahlung konnte man seit Beginn des 17.Jahrhunderts die Braugerechtigkeit erwerben und damit gewerblich tätig werden. Das freie Braurecht wurde auf die private Brauung beschränkt, d.h. Bier durfte nicht verkauft werden. Bis ins 19.Jahrhundert sind verwitwete, gewerbliche Brauerinnen namentlich bekannt. 1794, 1800, 1810 und 1820 wurden im Bremer Adressbuch jeweils zwei Witwen aufgeführt, wobei die Witwe von C.E. Ulrich bis 1820 genannt wurde. 1830 braute neben den 35 Bierbrauern nur Hermann Runges Witwe als einzige Frau, sie tauchte 1840 nochmals auf. 1850 wurden sechs Brauerinnen angeführt, 1860 nur mehr zwei. J.C. Stormanns Witwe betrieb in der Sögestraße 23 mindestens 10 Jahre eine Traditionsbrauerei, die schon 1810 genannt wurde.
Selbständige Ledige
Stickerinnen
Im Bürgerbuch und in den Rechnungsbüchern der Kirchengemeinden verzeichnete man auch Arbeitsaufträge mit entsprechenden Entlohnungen. Es waren ledige Frauen, die als selbständige Stickerinnen Aufträge erhielten und ausführten. Aleke, die Stickerin, bekam laut Liebfrauenrechnungsbuch 1488 "vor ein stickels" mehrere Geldbeträge; de Vyschersche erhielt ebenfalls nach dem Liebfrauenrechnungsbuch 1491 "vor Sepen, Waschen und Stickent" (Seife, Waschen, sticken) 12 Mark 1 swar.
Auch nach 1500 tauchten ledige, selbständige Stickerinnen auf: Anne Mitte arbeitete 1552 am Brautkranz der Liebfrauenkirche und erhielt als "junfer annen gegeven vor den kranss to maken 2 Mk.8 Groten". Jungfer Gretken Grevenstein bekam 1592 vom Bremer Rat 17 Mk. 31 Grote "vor kussenblade mit des Rades wapen (Ratswappen) und vor twin (Zwirn) vor 7 blade". Garbrecht Bothe, die Stickerin, erneuerte 1585 den alten Brautkranz der Ansgariikirche und verwendete dafür reichlich Zwirn und Perlen. Von Gretken Bockstave, der lobberschen (Hand- und Halskrausestickerin), wurde 1627 das Begräbnis im Stephanirechnungsbuch verzeichnet. Gretken Went erhielt 4 Mk. 4 Grote dafür, dass sie 1648 "auf Befehl des Herrn Präsidenten auf der Kammer über dem Weinkeller vier Küssen gemacht mit den Knöpen und Wapen".
In vielen Bremer Zünften sind bisher keine Frauen als selbständige Meisterinnen nachweisbar, was nicht heißen muss, dass es sie nicht doch gegeben hat. Eindeutig ist, dass es in Bremen keine reinen Frauenzünfte wie in Köln gab. Zusammenfassend bleibt zu bemerken, dass Bremerinnen in vielen Berufen arbeiteten, von denen heute gesagt wird, dass es rein männliche Berufe gewesen seien.

 Literatur  
- Duby, Georges, Perrot, Michelle: Geschichte der Frauen. Mittelalter, Frankfurt/M. 1993
- Elstermann, Erika: Die Lederarbeiter in Bremen, in: Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der freien Hansestadt Bremen, Bremen 1941
- Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. S.143 ff., München 1991
- Focke, Johann: Bremische Werkmeister aus älterer Zeit, Bremen 1890
- Hoeffinghoff, Elisabeth: Die bremischen Textilgewerbe vom 16. bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts, in: Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, Bremen 1933
- Schöck-Quinteros, Eva (Hrsg.): Frauen Geschichte, Heft 3, Bremen 1996
- Shahar, Shulamith: Die Frau im Mittelalter, S.179-190, Frankfurt/M. 1983
- Stolz, Susanne: Die Handwerke des Körpers, Marburg 1992
- Thikötter, Elisabet: Die Zünfte Bremens im Mittelalter. in: Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der freien Hansestadt Bremen, Heft 3, 4, Bremen 1930
- Weigel, Christoph: Abbildung und Beschreibung der Gemein-nützlichen Hauptstände, Faksimile-Neudruck der Ausgabe Regensburg 1698, Nördlingen 1987
- Wolf-Graaf, Anke: Die verborgene Geschichte der Frauenarbeit, S.38-69, Weinheim/Basel 1994