Rechtsanwältin






Dr. Emmalene Bulling (1900 -1959), Rechtsanwältin

Emmalene Bulling stammte aus einem finanzstarken, kultivierten, aufgeschlossenen und liberaldemokratischen Elternhaus, in dem alle fünf Kinder selbstverständlich die bestmögliche Ausbildung erhielten.
Emmalene Bullings Mutter war die Tochter eines Arztes, ihr Vater war der Familientradition folgend Rechtsanwalt. Seine Familie hatte lange in Amerika gelebt, wo auf gute Ausbildung aller Kinder, auch der Töchter, viel Wert gelegt wurde. Es lässt sich nachweisen, dass gerade in den Bremer Familien, die enge Kontakte mit Amerika pflegten, die Töchter bestmöglich gefördert wurden. Die beiden Schwestern Emmalene Bullings studierten Medizin und wurden Ärztinnen, ein Bruder übernahm die Rechtsanwaltskanzlei des Vaters, der andere Bruder wurde Kaufmann. Emmalene Bulling hatte schon früh den Wunsch zu studieren. So besuchte sie nach dem Oberlyzeum Kippenberg das Neue Gymnasium an der Parkallee (auch "Reformgymnasium", später "Oberschule am Barkhof"), wo sie in einer fast ausschließlichen Jungenklasse 1920 das Abitur ablegte. Zu dieser Zeit standen Frauen alle Universitäten offen. Sie durften seit 1908 an allen Fakultäten studieren und Examina machen. Nur die Juristen stemmten sich noch gegen das Frauenstudium und verhinderten den ordentlichen Abschluss. Erste Staatsprüfung, Referendariat und zweite juristische Staatsprüfung, und damit die Voraussetzungen zur Ausübung des Berufs, blieben Frauen bis 1922 verwehrt. So wundert es nicht, dass Frauen das Jurastudium mieden.
Emmalene Bulling studierte ab 1921 zunächst Philosophie in Heidelberg und Nationalökonomie in München und Detmold und beendete als Diplomvolkswirtin 1924 vorläufig ihr Studium. In dieser Studienjahre war ihr Interesse an sozialpolitischen und frauenspezifischen Themen gewachsen. Sie wechselte nun nach Freiburg und legte nach drei Semestern Jurastudium im Juli 1925 die erste Staatsprüfung ab. Ihre Referendariatszeit verbrachte sie am Amts- und Landgericht Bremen. Während dieser Zeit promovierte sie an der Juristischen Fakultät Erlangen mit "magna cum laude". In der Beurteilung ihrer Arbeit über das Registerpfandrecht bescheinigte ihr der Professor "beachtenswerte Vorschläge" zur Verbesserung des bestehenden Rechts, "gründliche Kenntnisse des deutschen und ausländischen Rechts", "erstaunliche Reife und Sicherheit des Urteils" und "große juristische Begabung". Nach der vierjährigen Referendariatszeit in Bremen konnte ihr Prüfer sich trotz seines lobenden Berichts das "Fräulein Herr Referendar Bulling" aber nur in einer "leitenden Stelle in der Fürsorge - oder ähnlicher Tätigkeit" vorstellen. Im Oktober 1929 beendete Emmalene Bulling ihre Ausbildung mit der zweiten juristischen Staatsprüfung, im Dezember 1929 wurde sie als erste Rechtsanwältin in Bremen vereidigt.
Doch als Frau bekam sie in den Bremer Anwaltskanzleien keine Anstellung. Die einzige Möglichkeit, ihren Beruf auszuüben war die Selbstständigkeit. In der Langenstraße eröffnete sie ihre eigene Kanzlei in Sozietät mit einem Kollegen als erste Rechtsanwältin Bremens. Hohes soziales Engagement im Umgang mit ihren KlientInnen und großer persönlicher Einsatz für in Not geratene Menschen zeichneten sie aus. Emmalene Bulling war Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei und arbeitete aktiv in der Frauenbewegung. In der Rechtsschutzstelle des Bundes für Mutterschutz und Sexualreform erteilte sie den ratsuchenden Frauen unentgeltlich Auskunft besonders in Fragen der Unterhaltspflicht der Väter. Später wurde sie Leiterin dieser Einrichtung und setzte ihre juristischen und volkswirtschaftlichen Kenntnisse ein im Kampf um rechtliche Gleichstellung der unverheirateten Mütter und ihrer Kinder.
Während des Nationalsozialismus wurden Juristinnen aus dem öffentlichen Dienst entweder entlassen oder in die Verwaltung versetzt. Richterinnen und Anwältinnen wurden nicht mehr eingestellt, lediglich die Anwältinnen in eigenen Kanzleien durften weiterarbeiten. Als viele der männlichen Anwälte in den Krieg eingezogen wurden, führten die Kolleginnen die verwaisten Büros weiter. Auch Emmalene Bulling konnte ihre Arbeit fortsetzen und leitete die Kanzlei von Hogrefe und Wentzien, nach dem Krieg auch als Notarin. Von den Amerikanern erhielt die politisch unbelastete Juristin die Erlaubnis, weiter als Rechtsanwältin zu arbeiten. 1950 wurde Emmalene Bulling zur Richterin am Amtsgericht Bremen berufen und 1952 zum "Amtsgerichtsrat auf Lebenszeit" befördert. Als Richterin am Vormundschaftsgericht machte sie sich durch Hausbesuche selbst ein Bild von den Lebensumständen der von ihr betreuten Familien. Ab 1954 arbeitete sie als Richterin bei der Entschädigungskammer. 1951 gründete sie mit anderen Frauen den Deutschen Verband berufstätiger Frauen Club Bremen.
Emmalene Bulling trug als Pionierin in der rechtsgelehrten Welt dazu bei, dass Frauen in Anwalts- und Richterroben heute selbstverständlich sind. In diesem Jahr wäre die erste Rechtsanwältin Bremens 100 Jahre alt geworden.

 Literatur  
- Bartlitz, Christine: Justitia ist weiblich. Emmalene Bulling - Bremens erste Rechtsanwältin; in: Schöck-Quinteros, Eva (Hrsg.): Buten un Binnen, Wagen un Winnen. Erste Bremerinnen auf dem Weg ins akademische Leben, S.97 ff., Bremen 1997
- Hannover-Drück, Elisabeth, in: Cyrus, Hannelore u.a. (Hrsg.): Bremer Frauen von A bis Z, S.433 ff., Bremen 1991